Bruneck von unten? Mehr Gewicht auf das Virus im Abwasser

Jeder Mensch muss aufs stille Örtchen. Auch die, die sich nicht testen lassen wollen. Beschäftigen will man sich damit aber nicht. Wenn, dann nur bei skurrilen Erkenntnissen: Erstaunt konnte man lesen, wann in London am meisten gekokst und in Wien am meisten Haschisch konsumiert wird (alles unbekannt hierzulande). Nun hat sich der Verwendungszweck geändert, denn neben „normalem Material“ wird am Häuschen auch Virusmaterial ausgeschieden, von Symptomatischen und Asymptomatischen. Und das kann man nützen. Liegt die Erkenntnis im Klo? Und heißt das Virus mit Vornamen Harry?

Die Anforderungen dieser Zeiten schlauchen uns und erfordern immense Anstrengungen. Dazu kommt, dass immer mehr Menschen die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen bezweifeln. Es gäbe aber ein Instrument, das schon frühzeitig die massive Zunahme des Virus und seiner Mutationen erkennt und dem sich niemand verweigern kann: Das kleinräumige Überwachen unserer Abwässer. Die Landesregierung hat vor wenigen Tagen beschlossen, ernsthafter dieses spannende Thema anzugehen.

In Südtirol gibt es 40 Abwasseranlagen. Seit letztem Jahr werden neun davon auf Corona-Viruslast überwacht. Laut dem Betriebsleiter Wolfgang Kirchler in Tobl sind es im Pustertal drei Anlagen, darunter die Anlage Tobl in Pflaurenz, die sich bei diesem Projekt beteiligen. Ergebnis bisher: Man kann das Virus nachweisen, aber es ist nicht möglich, über die genauere Herkunft und die Menge an Infizierten eine Aussage zu treffen.

Was ist der Vorteil des Abwassermonitorings? Je kleinräumiger es erfolgt, desto besser kann man bis zu zehn Tage vor einem Ausbruch die Zunahme des Virus im Abwasser erkennen. Spannend dabei ist, dass das Erkennen von Virusherden sehr genau erfolgen kann: Durch kleinräumiges Überprüfen können einzelne Straßen, Firmen, Schulen…als Herd erkannt und frühzeitig Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Dies geschieht bereits in Städten wie Amsterdam und Düsseldorf.

Wie könnte das Ganze bei uns aussehen? Die Abwasserinfrastruktur in Bruneck besteht aus einem 157 km langen Kanalnetz, aus welchem jährlich rund 2.500.000 m³ Abwasser abgeleitet werden. Mehr als 2.600 Immobilien sind daran angeschlossen. Wenn diese 157 Kanäle idealerweise einzeln überwacht würden, wäre ein gezieltes Erkennen und Überprüfen von Virusausbrüchen frühzeitig machbar. Die Auswertung müsste in Laboren erfolgen, zur Zeit ist es das Biologische Labor in Leifers.

Von einer solch kleinräumigen Überwachung ist noch lange nicht die Rede. Jetzt sollten als erstes alle Abwasseranlagen des Landes einbezogen werden. Das sagt über das Geschehen in einzelnen Orten auch noch nicht viel aus: Die Viruslast ist bei uns wie im ganzen Land zurzeit sehr hoch, mit Proben aus der Anlage Tobl kann kein Rückschluss auf das Geschehen in Bruneck gezogen werden. Eine kleinräumigere Überwachung würde natürlich eine Masse an Tests nach sich ziehen, welche auch ausgewertet werden müssten, wäre aber theoretisch möglich: Die Infrastruktur besteht bereits, da die Abwässer in Strängen zusammengeführt werden. Es hapert auch in Bruneck nicht an Kanälen und Zugängen. Was landesweit bis jetzt fehlt ist Personal im Labor, bzw. bis jetzt auch der politische Einsatz für nachhaltige Maßnahmen.

Vor kurzem hat nun die Landesregierung auf Antrag des Team K beschlossen, diesem Projekt mehr Gewicht einzuräumen. Das heißt: Es soll mehr Geld für die Untersuchungen im Labor lockergemacht werden. Das Land strebt neben dem Aufstocken des Personals eine Zusammenarbeit mit „Coron-A“ in Österreich an. Dabei handelt es um eine Zusammenarbeit verschiedener Institutionen, wie etwa der Universität Innsbruck und dem Bundesumweltamt, und den österreichischen Bundesländern, zum Nachweis der Coronaviren im Abwasser. Diese Zusammenarbeit würde Geld und Ressourcen sparen und einen Zugang zu modernster, wissenschaftlicher Arbeit ermöglichen.

Also: In Zusammenarbeit mit Österreich, mit dem politischen Willen und einem wissenschaftlichen Ansatz werden wir eventuell wir ein gutes, kostengünstiges und billiges Instrument zur Hand haben, um unsere Gesundheit im Auge zu behalten. Ach ja...Harry heißt das Virus in Wien. Und da auch nur jedes Dritte.

Verfolge die Facebook-Diskussion: https://www.facebook.com/groups/unserbruneck/permalink/1085447265257718/

Infos: Franz Ploner/Wolfgang Kirchler

Quellen/weiterführende Informationen:

https://www.coron-a.at

https://www.arapustertal.it/de/unsere-anlagen/tobl

https://www.team-k.eu/de/corona-in-der-kloschuessel-der-virusschluessel

https://www.stadtwerke.it/de/abwasserentsorgung/abwasserentsorgung.html

https://neustart.provinz.bz.it/news.asp?aktuelles_action=4&aktuelles_article_id=644984

https://www.rainews.it/tgr/tagesschau/articoli/2021/01/tag-abwasser-proben-mutationen-klaeranlagen-alberta-stenico-c4956bf6-8074-4f11-b959-cf6207276144.html

https://www.rtl.de/cms/darmstadt-fruehwarnsystem-erkennt-corona-viren-im-abwasser-4705501.html