aka il ciccione degli Alpini

In absehbarer Zukunft wird vom Kapuzinerplatz ausgehend eine kleine Kunstgegend entstehen. Als Gallionsfigur voran steht ein uns gut bekanntes Denkmal: Der Wastl. Eigentlich sollte dies ein Plädoyer für eine künstlerische Aufarbeitung des Denkmals werden, passend zur neu zu entstehenden Kunstszene in Bruneck. Bis es soweit ist, nur eine kleine Erinnerung daran, wer da steht.

Eine Hassliebe verbindet die Brunecker Bevölkerung mit ihm. Dem Wastl. Wenn sich ein italienischsprachiger Besucher über das Bruchstück erkundigt, so findet er im Internet den Namen „Ciccione degli Alpini“ als Übersetzung für den "Wastl". Oder auch wortwörtlich übersetzt, "Sebastiano dei Cappuccini" (ernst gemeint!). Auf Tourismusseiten wird das Denkmal in erster Linie als Schande betrachtet, vor allem für Italien, welches seine eigene Geschichte noch nicht ernsthaft genug aufgearbeitet habe. Die Gemeinde Bruneck hat sich vor einigen Jahren dazu entschlossen, eine kleine, dreisprachige Informationstafel aufzustellen.

Lassen Sie uns unseren Brunecker Schandfleck, den Brocken Denkmal, das Alpinirelikt betrachten.

1938: Aufgestellt auf Initiative des faschistischen Podestà. Die Brunecker wollten ihn nicht, mussten aber mitbezahlen. 6 Meter hoch, bewaffnet, Blick Richtung Norden, der sagte: „Wagt es nicht! Das gehört mir.“ Zu Ehren, so die Widmung, der Alpinidivision „Val Pusteria“. Auch Pustertaler waren als Soldaten im Abessinienkrieg dabeigewesen, in dem Italien Giftgas auch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt hatte. Natürlich hatte der riesige Soldat auch eine Message an Bruneck: Eure alte Stadtgasse ist nichts gegen den neuen Prunk und die Größe der Faschisten an der piazza capuccini.

http://www.provinz.bz.it/katalog-kulturgueter/de/suche.asp?kks_priref=60009470#L. Fränzl Bozen

1941, Nazi-Deutschland besetzt das Land und die Brunecker nutzen die Stunde: Das Denkmal wird abgerissen. Um dann, 1951, von der ANA (nationale Alpini-Vereinigung) wieder neu aufgebaut zu werden: Nun ist es ein entschärfter, kleinerer Soldat, 4 Meter, ohne Waffe.

Nur wenige Jahre später, im Zuge der gewalttätigen Widerstandsbewegungen in Südtirol, wird der Soldat immer wieder beschädigt, 1966 endgültig zerstört

Einweihung des zweiten Denkmals 1951 (Quelle Wikipedia)

1968 wird ein neues Denkmal errichtet: Interessant dabei ist, dass es auch eine neue Legitimation bekommen soll: allen in Kriegen oder Kriegshandlungen gefallenen Alpini gewidmet. 1979 wird es wieder gesprengt, ein Jahr später die Überbleibsel, die Büste, wie sie heute zu sehen ist, aufgestellt. Eine liebgewonnene Tradition: 2012 wird der Wastl an der Feder beschädigt, die ANA bezahlt 4000 Euro für die Restauration. 2017 kommt es wieder zu einer Beschädigung der Feder, und somit wieder zu einer Diskussion zum Umgang mit dem Relikt. Und dass diese Diskussion nicht aufhört, zeigt das erneute Aufflammen der Polemik im April 2022, als ein verloren geglaubter Teil des Wastls, eine Hand, wieder in Bruneck seine letzte Ruhestätte finden soll.

Mauergraffiti Hintergasse (Foto: Andreas Oberhofer)

Was ist der Wastl heute für uns? Für die ANA ist es ein Ort der Erinnerung, der Kranzniederlegung. Erinnerung an den Krieg, an gefallene Soldaten, vielleicht für einige auch an Italianità. Für andere ist der Wastl Provokation, ständige Erinnerung an den Faschismus, das Leiden der Bevölkerung. Wieder andere denken an die Gräueltaten in Äthiopien. Und für viele ist der Wastl mittlerweile eine Art Alleinstellungsmerkmal Brunecks. Ein Unikat, dazu Zeichen des Brunecker Widerstands und Überlebens. Über das Touristen den Kopf schütteln oder sich amüsieren. Immerhin haben wir uns nicht beeindrucken lassen und ihm den liebevoll-spöttischen Namen „Kapuziner Wastl“ gegeben.

Der Wastl, wie er heute dasteht, erzählt von mehr als Faschismus und Kriegsverherrlichung. Er zeugt mittlerweile auch vom Widerstand der Bevölkerung und von der Geschichte Südtirols nach dem Krieg. Er erinnert an Zeiten, die man nicht vergessen sollte.

Eine Frage der Perspektive: So richtig respekteinflößend ist der Ciccione nicht mehr.

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Quellen:

https://www.archiv-bruneck.it/de/stadtgeschichte/orte/das-alpini-denkmal

https://armin13.jimdo.com/2011/04/09/entsch%C3%A4rfung-des-alpinidenkmals/

https://lookingeurope.wordpress.com/2015/08/12/brunico-monumento-allalpino/

https://it.wikipedia.org/wiki/Monumento_all%27Alpino

https://www.tageszeitung.it/2017/09/16/unbeliebter-wastl/

https://www.facebook.com/groups/unserbruneck/permalink/1351059958696446/