Teil 9: Der Baubeginn (Teil 3): Der Graben

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Von Carlo Sansone

Das Bauprojekt sieht also eine Ringmauer vor, die glücklicherweise, bis auf ein kleines Stück von etwa zwanzig Metern - vom Unterrainer- bzw. Ragentor zur Burgmauer, komplett erhalten ist.

Die Ringmauer wird von einem Graben geschützt: ca. 10m breit, 4m tief. Gespeist wird der Graben von einem etwa 1km langen Holzrunst, der dank des Höhenunterschieds das Wasser auf der Höhe des heutigen neuen Friedhofs vielleicht vom „Reischingerbachl“ entnimmt und das Wasser beim nur geringfügig niederer liegenden Schlipftor in den Graben gießt.

Der nördliche Teil des Runstes, vom Kälberkopf bis zum Florianitor, wurde bei der Auffüllung des Grabens im ersten Drittel des 19.Jh. entfernt. Den Teil im Osten, vom Reischingerbachl bis zum Pulverturm, sieht man auf Bildern noch bis 1882, wo er vermutlich dem damaligen Hochwasser zum Opfer gefallen ist.

Eigentlich sind es zwei Gräben, welche die neue Stadt schützen. Einer befindet sich vor dem Ragentor und der andere, längere, vor dem Nord- und Westteil der Ringmauer. Dieser längere Graben zieht sich ungefähr vom Pulverturm („Kälberkopf“ an der Kapuzinerbrücke) bis zum Ursulinenkloster hin, biegt dort ums Eck, verläuft weiter zum Gänsetor (heute Ursulinentor), geht dann weiter zu den Felsen des „Schlossbergs“ am großen Zwinger, unterhalb der Reischacherstraße.

Der trockene Ragengraben wurde „Pfeffergraben“ genannt: Zur Erinnerung an ein Ereignis, wahrscheinlich ein gut ausgegangener Unfall beim Aushub des Grabens, hatte ein Bürger Gaben für die Armen gestiftet: Zu Ostern kletterten diese in den Graben und bekamen dort das Fleisch von zwei Ochsen und Pfeffer.

Leider wissen wir noch nicht, wie der Teil des großen Grabens zur Rienz hin, im Nordosten, baulich abgeschlossen bzw. die Stelle ohne Graben abgesichert war. Hier bräuchte es eine wissenschaftliche Grabung.

Als dann in der ersten Hälfte des 15.Jh. die Ursulinenkirche gebaut werden durfte und wegen der Ostung des Gotteshauses ihr Zugang von Westen her ein verteidigungstechnisches Manko darstellte, musste dementsprechend der westliche Arm des Grabens zugeschüttet werden. Diese Sicherheitslücke wurde mit dem Bau eines Zwingers bzw. einer Schutzmauer entlang der heutigen Ostseite des Tschurtschenthalerparks behoben. Als Nordwestzugang zu diesem Zwinger und zum Gänsetor wurde, ungefähr an der Stelle des heutigen Zwickels an der Kreuzung Reischacherstraße-Dantestraße, ein Tortum errichtet.

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Das Modell 1:250, mit Höhenlinien, das ich anlässlich des Jubeljahres zum 750.“Geburtstag“ Brunecks für den Verein für Kultur- und Heimatpflege Bruneck anfertigte, hier im Zustand vor 1382, als es noch nicht erlaubt war, Wohnhäuser an die nördliche Ringmauer anzubauen. Links vom Schlipftor der Wasserrunst, der links oben unter der Rienzbücke durchführt. Rechts der Ballhausplatz hinter der Stadtmauer. Dort sichtbar das „Haus zum Hohen Zorn“, älter als der Stadtbau, ist an der Ringmauer markiert.©CarloSansone

Die Phase, in der der Westarm des Grabens schon aufgefüllt war, mit dem Zwinger vor der Dreifaltigkeits-/Neukirche (heute Ursulinenkirche), der Ringmauer, die sich zur Burg raufzieht, dem Ballhausplatz mit dem Brunnen (in dunklerem Holz) und den Mauer-Häusern der unteren Hintergasse. ©CarloSansone

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