Teil 3 Turm, Straße, erste Gebäude

Foto: Carlo Sansone

Ein Beitrag von Carlo Sansone

Im Ortsteil Ragen stehen um die erste Jahrtausendwende: der Weiler Ragen, später Kirchmair, mit seinem Kerngebäude, dem heutigen Ragenhaus, eine kleine, wahrscheinlich schon der Gottesmutter geweihte Kirche oder Kapelle, sowie zumindest die Mühle, welche später Saumüller genannt wird. Der Name Saumüller kommt vom Bild der kleinen Sau links unten am großen spätgotischen Wandfresko. Vielleicht entsteht auch schon bald neben und um diese, weit und breit einzige Kirche, ein kleiner Friedhof.

Die Jurisdiktion über diesen Teil des Talkessels haben die Michelsburger Ministerialen, als Nachfolger der Sonnenburger Grafen, deren letzter, Volkhold auf der Suanapurc 1039 eine Benediktinerinnenabtei stiftet, sie unter anderem mit Verwandten aus dem Kärntner Kloster St.Georgen am Längsee besetzt und sie unter den Schutz des Trientner Bischofs Ulrich stellt. Es ist nicht ganz klar, ob die Michelsburger, als Gerichtsherren von Ragen einschließlich Reischach, in dieser Zeit schon Inhaber der Hochstiftsvogtei (Bistum Sabiona/Säben) in der Grafschaft Pustertal sind.

Auf jeden Fall deckt sich das Territorium des Landgerichts Michelsburg, fast genau mit dem Gebiet des Archidiakonats Pustertal mit Sitz in der Erzpfarre St.Lorenzen. Jedenfalls wird es noch jahrhundertelang immer wieder zu Konflikten zwischen der Bischofsstadt Bruneck und den Michelsburger Richtern wegen angeblicher Grenzverschiebungen zugunsten letzterer kommen. Davon wird später noch zu berichten sein.

Die eigentlichen, gleichzeitigen, lokalen Machtzentren liegen auf der sonnenbeschienenen Seite des Talkessels, in dem vermutlich schon zu Zeiten der bajuwarischen Landnahme gegründeten Aufhofen mit dem bischöflichen Gerichts- und Verwaltungssitz im Ansitz Ansiedl (die Kehlburg wird erst später gebaut) und Dietenheim, dessen Name wahrscheinlich gar auf Herzog theodo (ca. 680-717?) als Gründer weist. Ansonsten gibt es um die Jahrtausendwende am Schlosshügel vielleicht noch einen Wachturm, denn in dieser Zeit soll der Name des Hügels, der eigentlich ein Vorsprung des heute Kühbergl genannten Hügels ist, Wartberg gewesen sein. Die Ausgrabungen im Zuge der Restaurierung und Adaptierung des Schlosses 2006, konnten wegen der späteren Überbauung jedenfalls keinen älteren Turm nachweisen.

Es gibt zu dieser Zeit auch (noch) die Jahrhunderte alte Landstraße von St.Lorenzen, über die Böden am Fuße Waldheims (ich habe Spuren beim Bau der neuen Eishalle gefunden und dokumentiert), dann vermutlich über den Verlauf der späteren Stadtgasse, mit Brücke über die Rienz (neben der heutigen Bäckerei Frisch-Lechner) und weiter ins „Oberland“. Entlang dieser Straße sind dann, noch vor Gründung der Stadt, einige Gebäude entstanden, die eben deswegen später nicht der städtischen Jurisdiktion unterlagen, so z.B. „der Hohe Zorn“ (am Graben), und das Haus zu Port (Nr.108, neben der obenerwähnten Bäckerei). Ansonsten muss man sich das Pustertal ziemlich gebäudeleer vorstellen. Wo heute Dörfer stehen, gab es um das Jahr 1000 höchstens ein, zwei kleinere oder größere Bauerngehöfte. Auf dem Felsenkopf der heutigen Lamprechtsburg gibt es zwischen 1075-1090 eine Kapelle ad sanctum Lantpertum, aber noch keine Burg.

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